Reisen in Ghana

So, nun ist also tatsächlich schon die Hälfte meines Freiwilligendienstes um. Auf der einen Seite kann ich es noch gar nicht wirklich fassen, dass schon sechs Monate vergangen sind, auf der anderen Seite ist aber auch der Moment, in dem ich ins Flugzeug gestiegen bin, für mich irgendwie schon Welten entfernt. In diesen sechs Monaten habe ich wahrscheinlich mehr Neues gesehen, erlebt und gelernt als in den letzten sechs Jahren meines Lebens und auch wenn nicht immer alles leicht war, bin ich froh, diese Erfahrungen gemacht zu haben.

Damit ihr euch einmal einen Eindruck davon machen könnt, was so alles bei mir passiert, kommt hier endlich der Blogeintrag über das Reisen, den ich aber aufgrund der vielen verschiedenen Ausflüge in zwei Berichte teilen werde. Hier also der erste Teil, der zweite Teil folgt hoffentlich bald!

 

Erst einmal allgemein etwas zum Reisen in Ghana: Das billigste und einfachste Fortbewegungsmittel für längere Strecken ist das Trotro, eine Art Kleinbus, der nicht wie der klassische deutsche VW-Bus mit 6 Sitzen, sondern meistens mit 12-15 Sitzen ausgestattet ist. Auch Sicherheitsgurte und Klimaanlage sucht man hier vergeblich, dafür laufen meistens die neusten ghanaischen Hits und die offenen Fenster sorgen für angenehm kühle Luft beim Fahren. Trotros kann man eigentlich fast überall kriegen, sei es an der Straße oder an einer der „Stations“ in den Städten oder Dörfern. Feste Abfahrtszeiten gibt es nicht, losgefahren wird meistens, wenn das Trotro voll ist. Das kann zwar einerseits (vor allem für tendenziell eher unpünktliche Menschen wie mich) sehr praktisch sein, weil man an keine Fahrpläne gebunden ist, andererseits kann es aber auch durchaus vorkommen, dass man gute zwei Stunden im Trotro wartet, weil an dem Tag eben keiner in diese Richtung fahren will. In solchen Situationen hilft nur Eins: Geduld bewahren, viel leckeres Essen aus dem Trotrofenster heraus kaufen und sich die ghanaische Mentalität aneignen: Besser spät als nie!

 

Das ganze Trotro-System hat auf mich Anfang einfach nur wie ein großes Durcheinander gewirkt, inzwischen habe ich aber tatsächlich (zumindest teilweise) besagtes System bzw. eine gewisse Ordnung in dem Ganzen entdeckt: Ein „Trotro-Team“ besteht meistens aus einem „Driver“ (Fahrer) und einem „Maid“ (oft ein junger Mann, der die Fahrgäste „organisiert“, das Geld einsammelt und potenziellen Mitfahrern an der Straße durch lautes Rufen aus dem Fenster das Reiseziel mitteilt). Welche Trotros warum wo hinfahren, habe ich noch nicht ganz verstanden, aber es scheint für jedes Reiseziel eine gewisse Anzahl an Trotros zu geben. Das Praktischste an dem ganzen System ist aber eigentlich, dass man es gar nicht verstehen muss, um von A nach B zu kommen. Sobald man sich nämlich einer Station nähert, kommen einem meistens schon ungefähr fünf Maids entgegen, die versuchen, mit einem „Obroni, where are you going?“ auf sich aufmerksam zu machen. Nennt man dann das gewünschte Reiseziel, ist eigentlich immer mindestens eine Person dabei, die einen mit einem „Okee let’s goo“ durch das Gedrängel hin zum richtigen Trotro führt. Oft sind die Personen gar nicht die zu diesem Trotro dazugehörigen Maids, aber die ghanaische Hilfsbereitschaft sorgt dafür, dass man sozusagen ins richtige Trotro „gesetzt“ wird.

Ein großer Unterschied zum Reisen in Deutschland sind hier auf jeden Fall die Straßen. Etwas wie Autobahnen gibt es hier fast nicht (was aber bei der ghanaischen Fahrweise nicht weiter schlimm ist, zweispurig gefahren wird auch auf normalen Straßen…) und die Straßen sind teilweise nicht geteert. Auch Schlaglöcher sind hier fast überall zu finden, wodurch die Autofahrer entweder zu spontanen Vollbremsungen vor jedem Schlagloch veranlasst werden oder aber sich für Fahrmöglichkeit zwei entscheiden: Einfach Drüberbrettern! In Kombination mit der Enge in den Trotros schränkt das den Reisekomfort natürlich ein, aber dafür wird’s auch nicht so schnell langweilig…😉.

 

Und noch etwas, an das ich mich erst einmal gewöhnen musste: Die meisten Ghanaer (oder um Verallgemeinerungen zu vermeiden: Fast alle, die ich bisher kennengelernt habe) sind sehr gläubig und bringen ihren Glauben auch gerne offen zum Ausdruck, sodass es bei einer Trotro-Fahrt durchaus vorkommen kann, dass sich ein „Prediger“ zu den Fahrgästen gesellt, der dann während der Fahrt ein bis zwei Stunden auf Twi predigt. Dass dies meist in beachtlicher Lautstärke stattfindet, macht es natürlich nicht einfacher, während der Fahrt erholsamen Schlaf zu finden und am Anfang dachte ich ehrlich gesagt auch nicht, dass ich in einem Trotro jemals schlafen könnte. Mittlerweile habe ich mich aber tatsächlich schon an die holprige Art der Fortbewegung und das Klappern der Fahrzeuge gewöhnt und auch die Prediger schocken mich nicht mehr (Wobei ich schon sagen muss, dass ich dann meistens doch froh bin, wenn diese nach zwei Stunden pausenlosen Redens bzw. Schreiens aus dem Trotro aussteigen…😉).

 

 

Aber jetzt mal zu meinen bisherigen Reisen: Eine der ersten „größeren“ Reisen führte mich und ein paar Mitfreiwillige nach Cape Coast, die Hauptstadt der Central Region, in der sich auch Agona Swedru befindet. Dort besuchten wir sowohl das Cape Castle, eine ehemalige Sklavenburg als auch den „Kakum National Park“, einen Naturpark in der Nähe der Stadt. Während ich bei der Besichtigung des Castles viel Neues über die Geschichte Ghanas lernte, begeisterte mich auch der „Kakum Canopee Walk“, bei dem man auf Hängebrücken über den Wipfeln der Bäume spazieren und einen tollen Blick auf den Regenwald gewinnen kann. Ein weiteres Highlight für uns Freiwillige: In einer kleinen Strandbar in Cape Coast konnten wir nach langer Zeit wieder Käsenudeln genießen! Dass uns während der Mahlzeit auf einmal ein kleiner Affe auf die Schulter hüpfte und unsere Nudeln stehlen wollte, sorgte zwar kurz für Aufregung, konnte unsere Freude über das Essen aber nicht trüben😊.

 

Um auch einmal aus der Central Region herauszukommen, beschlossen wir an einem der nächsten Wochenenden, in die Hauptstadt der Eastern Region zu fahren: Unser nächstes Reiseziel hieß Koforidua. Dort konnten wir bei einer ca. zweistündigen, wunderschönen Tour durch den Regenwald den „Umbrella Rock“ und die „Boti Falls“ bestaunen. Beim Umbrella Rock handelt es sich um einen Felsen, der in etwa wie ein Schirm geformt ist und die Boti Falls sind zwei Wasserfälle, die, einheimischen Legenden nach, männlich und weiblich sein sollen.
Am nächsten Tag wagten sich ein paar von uns auf den „Mount Obuo Tabiri“, einen heiligen Berg, auf dessen Spitze man durch eine ca. halbstündigen Taxifahrt gelangt. Diese Fahrt stellte sich als sehr abenteuerlich heraus, da die steile Straße zu 90% aus Schlaglöchern bestand, was für das vollbesetzte Taxi ohne Allradantrieb natürlich eine gewisse Herausforderung darstellte. Nach einigem Schwitzen und Bangen und der ein oder anderen Aus-dem-Taxi-Aussteig-und-Anschieb-Aktion erreichten wir aber dann doch irgendwann den „Gipfel“ und wurden mit einer atemberaubenden Aussicht über Koforidua und die umliegende Natur belohnt.

 

Bei der nächsten Reise hieß es dann: Auf nach Accra! In der Hauptstadt Ghanas war ich ja schon einmal ganz am Anfang des Jahres gewesen, um mit unseren Mentoren ein paar organisatorische Dinge zu erledigen. Damals war mir die Stadt sehr chaotisch vorgekommen und ich hatte mich in eine komplett andere Kultur versetzt gefühlt. Als ich die Stadt dann aber zum zweiten Mal besuchte, erwartete mich ein anderer Eindruck: Accra kam mir auf einmal so europäisch vor! Das hat mir gezeigt, wie sehr sich meine Sichtweise nun doch schon verändert hat und ich frage mich jetzt schon, wie es mir dann in sechs Monaten wieder beim Anblick „echter“ europäischer Städte gehen wird…😉. Man muss allerdings auch sagen, dass Osu, der Stadtteil, in dem wir die meiste Zeit verbracht haben, einer der reicheren Stadtteile und somit relativ westlich geprägt ist. So findet man dort neben Mac Donalds, Pizza Hut und Apple Store auch einen großen Supermarkt, in dem man westliches Essen wie Käse und Joghurt finden kann. Nach ausgiebigem „Stöbern“ durch die schier endlos scheinenden Regale und einigen begeisterten Ausrufen leisteten („leisten“ im wahrsten Sinne des Wortes, leider waren nämlich nicht nur die Waren, sondern auch die Preise westlich und damit für uns ziemlich teuer) wir uns schließlich den Luxus eines westlichen Frühstücks.
Auch der kulturelle Aspekt kam an diesem Wochenende nicht zu kurz; so besuchten wir das „Independence Square“, ein Andenken an die ghanaische Unabhängigkeit, ein Künstler-Viertel namens Jamestown und schließlich den „Kwame Nkrumah Memorial Park“, in dem sich das Mausoleum von Ghanas erstem Präsidenten und ein Museum über den Nationalhelden befindet.

Nach diesem Ausflug in die ghanaische Geschichte hatten wir das Glück, am Strand einem älteren Mann zu begegnen, der versprach, uns zum Kulturzentrum von Accra zu führen. Anfangs skeptisch, gingen wir mit dem Mann mit (oder eher er mit uns, abschütteln ließ er sich nämlich nicht 😉) und wurden am Strand entlang durch eine Art Slum geführt, in dem sich in großen Mülltümpeln die Schweine suhlten. So viel Müll direkt am Strand zu sehen, hat mich ziemlich traurig gemacht, sowohl für die Natur als auch für die Menschen, die in dieser Umgebung leben. Auch unser „Guide“ zeigte irgendwann auf eine Blechhütte am Rande des Müllbergs und meinte zu uns: „That’s where I live with my wife and children.“ Als wir zwischen den Hütten hindurchgeführt wurden, hatte ich ehrlich gesagt kurzzeitig ein mulmiges Gefühl, aber plötzlich tauchten vor uns ein paar Shops mit allerlei Trommeln und Masken auf und der Mann führte uns in ein Trommelgeschäft, das seinem Bruder gehört. Dort bekamen wir spontane „Drumming Classes“ und kauften uns dann noch als Andenken eine kleine Trommel, in die unsere ghanaischen Namen und ein traditionelles Symbol eingeritzt wurden. Für mich war diese Begegnung auf jeden Fall ein Erlebnis, das ich so schnell nicht vergessen werde und es hat mir auch wieder gezeigt, dass man niemals zu schnell über Menschen oder Orte urteilen sollte…
Insgesamt war es also mal wieder ein sehr ereignisreiches Wochenende und auch wenn ich den kleinen Ausflug nach „Mini Europa“ genossen habe, war ich doch ganz froh, am Ende wieder in das „afrikanische“ Swedru zurückzukehren.

 

 

Das war nun also der erste Teil des Berichts über meine Reisen, der zweite Teil folgt noch und auch da erwarten euch wieder viele spannende und lustige Erlebnisse…😉

 

 

Bis bald,

 

Eure Anna  

Hier ein paar Bilder aus Cape Coast:

Ein historischer Ort: Das Cape Castle 

Der Blick vom Castle auf das traditionelle Fischer-Viertel von Cape Coast

Schwindelfrei muss man sein - Der Canopy Walk im Kakum National Park

"You survived" - Erleichterung nach der Tour über die Baumwipfel des Regenwaldes

Käsenudeeeln!! Das dicke Grinsen auf unseren Gesichtern spricht für sich...

Und hier die Bilder aus Koforidua:

Ein Wunder der Natur: Der "Umbrella Rock"

Vor allem in der Regenzeit beeindruckend: Die Boti Falls

Und zum Schluss noch die Bilder aus Accra:

Der Triumphbogen auf dem "Independence Square"

Die Statue des ersten Präsidenten Ghanas im "Kwame Nkrumah Memorial Park"

Die andere Seite der Münze: Teile der einfachen Siedlung am Strand von Accra -

Wie man hier sehen kann, ist das Plastik an den Stränden und auch Müll generell immer noch ein großes Problem

Ein schönes Plätzchen in Jamestown

Street Art im Künstlerviertel